Abstract:
Primäres Erkenntnismittel der Archäologie sind ihre Sammlungen und Archive an Objekten vergangener Kulturen und Gesellschaften. Diese Aussage war und ist auch heute noch oft zu hören. Doch inzwischen leidet die Archäologie zunehmend unter diesen Objekt-Massen, die sie zudem durch Ausgrabungen ständig vermehrt.
Die hier vorgelegten siebzehn Beiträge entstanden im Zuge einer von der Arbeitsgemeinschaft „Theorien in der Archäologie“ organisierten Tagung 2013 in Berlin. Der Sammelband hat zwei Schwerpunkte. Die Texte im ersten Teil des Bandes beschäftigen sich mit dem virulenten Problem der Massendinghaltung in Sammlungen. In den Blick genommen werden gleichermaßen Geschichte und Psychologie des Sammelns. Die Entwicklung von einer leidenschaftlichen, subjektiven „Sammellust“ zu einer geregelten, institutionellen „Sammellast” steht dabei im Zentrum des Interesses. Aber auch Alternativen werden diskutiert, die zu einer reflektierten Praxis des Ent-Sammelns führen können.
Die Beiträge im zweiten Teil des Buches diskutieren vor dem Hintergrund des material turn kritisch die etablierte empirisch-antiquarische Forschungspraxis der Archäologie und machen die Komplexität der Mensch-Ding-Beziehungen sichtbar. Nicht zuletzt setzt sich der Band aus archäologischer Perspektive auch kritisch mit gegenwärtigen Versuchen des Dingverständnisses anderer Disziplinen auseinander.
English Abstract
The primary way of generating knowledge in archaeology is through its collections and archives of objects of past cultures and societies – as was and still is stated quite often. But archaeology has been struggling with the sheer masses of objects since, which steadily grow because of excavations.
The following seventeen articles were contributions to a conference in Berlin in 2013, which was organized by the German Association for Theories in Archaeology. This edited volume focuses on two general topics. The essays in the first part of the volume treat the virulent problem of objects stockpiling in collections. The history as well as the psychology of collecting are addressed. There is a focus on the development which began with a passionate, subjective “delight in collecting” but which moved towards a regulated, institutionalized “burden of collecting”. However, alternatives which lead to a self-conscious practice of de-collecting, are discussed as well.
The contributions in the second part of the volume deal with the established empirical-antiquarian research in the light of the material turn and also show the complexity of the relationship between humans and objects. Last but not least, this volume discusses current attempts at the understanding of objects in other disciplines from an archaeological perspective.
Contents
Prolog
Doreen Mölders
Sammlungen – Besondere Orte von Dingen
Hans Peter Hahn
My preciousssss … Zwanghaftes Horten, Epistemologie und sozial verhaltensgestörte Archäologie
Raimund Karl
Akkumulation ist eine Suchtkrankheit, und Archäologie ist ihr Symptom
Reinhard Bernbeck
Mit den Dingen rechnen. ‚Kulturen‘-Forschung und ihr Geselle Computer
Katja Rösler
“Riskante Zwischenschritte“. Archäologische Kartographie in Deutschland zwischen 1870 und 1900
Susanne Grunwald
Ist das Archäologie oder kann das weg? Zur Konvergenz von Archäologie und Kunst
Sabine Rieckhoff
Lost in Translocation. Zur Inszenierung einer archäologisch-ethnologischen Sammlung in der Performance Isabella‘s Room (Jan Lauwers & Needcompany)
Astrid Hackel
Magazinmüll? Entsammeln und die Mülltheorie Michael Thompsons
Greta Civis
Zum historischen Potential des Materiellen. Schriftliches Interview von Doreen Mölders (AG TidA)
Manfred K. H. Eggert und Stefanie Samida
Krüge und Katheder. Ein „material turn“ in der deutschen Philosophie des frühen 20. Jahrhunderts und seine Bedeutung für eine Hermeneutik materieller Kultur
Matthias Jung
Dingeleien: (zu) kurze Anmerkungen zu phänomenologischen Ding-Theorien
Thomas Meier
Dinge als historische Quellen in Revision. Materialität, Spuren und Geschichten
Kerstin P. Hofmann
Die Figur der Cyborg in der Vergangenheit. Posthumanismus oder eine neue sozial(er)e Archäologie?
Stefan Schreiber
Mensch-Ding-Verflechtungen aus ur- und frühgeschichtlicher Perspektive
Philipp W. Stockhammer
Affordanz, oder was Dinge können!
Arnica Keßeler
A Totality of a Thing with Objects. Multifaceted British-made Brooches Abroad
Tatiana Ivleva
Dr.
Kerstin P. Hofmann
Kerstin P. Hofmann is Director of the Romano-Germanic Commission in Frankfurt/Main. Previously, she was a scholarship holder at the German Archaeological Institute in Rome and worked for the excellence cluster Topoi in Berlin. Her research interest focus on death rituals, space and collective identities and human-thing relations in Europe during the Metal Ages. She is author of Der rituelle Umgang mit dem Tod (2008) and co-editor of several anthologies, e. g. Massendinghaltung in der Archäologie (2016) and Between Memory Sites and Memory Networks (2017).
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